Im Rahmen der Projektwoche des siebten Semesters der Studienrichtung Verkehrsbetrieb/Logistik am Bereich Seefahrt in Warnemünde erfolgte kürzlich eine mehrtägige Exkursion zu interessanten Stationen der Verkehrs- und Logistikbranche in Stuttgart und Umgebung. Die Exkursion wurde gemeinsam von den Studierenden und dem verantwortlichen Professor Dr. rer .pol. Sönke Reise organisiert und durchgeführt. Die Exkursionsgruppe schloss sich mit dem Jungen Forum der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG) vor Ort zusammen, so dass die Teilnehmerzahl insgesamt rund 25 betrug.
Am Dienstag nachmittag konnte die Gruppe von fünf Studierenden mit ihrem Professor mit bmi regional von Rostock nach Stuttgart fliegen und kam dort am frühen Abend an. Für viele war es das erste Mal von Rostock aus zu fliegen, so war bereits die Anreise ein gewisses Highlight. In Stuttgart fuhren wir mit der S-Bahn vom Flughafen in die Jugendherberge Bad Cannstatt, die unser Ausgangspunkt für die folgenden Tage werden sollte.
Mittwoch fuhr die Gruppe als Erstes zu Mercedes nach Sindelfingen. Im Rahmen einer Werksführung wurden wir mit einem Film eingestimmt, dann ging es mit einem Bus auf das 3 km2 große Werksgelände. Es erfolgte ein Ausstieg und Besuch im Presswerk. Hier entsteht ein ziemlicher Lärm, bei dem aus dem Stahl Formteile ausgeschnitten und in Form gepresst werden. Die Maschinen sind beeindruckend im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit und Flexibilität. Anschließend ging es zu Endmontage der E-Klasse. Kein Fahrzeug gleicht dem anderen, jeder individuelle Kundenwunsch wird berücksichtigt. Eine Vielzahl an Fahrzeugen ist für den chinesischen und koreanischen Markt vorgesehen. Mit höchster logistischer Perfektion sind die Prozesse aufeinander abgestimmt.
Anschließend fuhren wir zur Stuttgarter Straßenbahn (SSB), wo wir auf die anderen Teilnehmer des Jungen Forums trafen. Zahlreiche Studierende und junge Berufstätige aus der Verkehrsbranche trafen hier in Erwartung einer tollen Exkursion zusammen. Als Auftakt für den Nachmittag erfolgte eine Werkstattbesichtigung der SSB. Hier werden zwei Typen der Stadtbahn (Normalspur) gewartet und instandgesetzt. Eine Bahn hatte einen Unfall mit einem LKW und war schwer beschädigt. Im Nachgang hielten drei Referenten spannende Vorträge in der Kantine der Werkstatt, die uns auf die Situation des Verkehrs im Raum Stuttgart einstimmten:
- Zukünftige Ausgestaltung des Individualverkehrs in der Landeshauptstadt (Referent vom ADAC)
- Perspektivische Entwicklung des ÖPNV (Referent vom Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart)
- Potentiale und Herausforderungen für den Schienenverkehr mit der Inbetriebnahme des Projektes Stuttgart 21
Den Abend verbrachten wir gesellig in der Universität Stuttgart am Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen und konnten uns näher kennen lernen.
Am Donnerstag ging es vormittags zur Großbaustelle „Stuttgart 21“. Dieses Bahnprojekt ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Es geht neben dem Umbau des Hauptbahnhofes auch um eine Neubaustrecke durch die schwäbische Alb und die städtebauliche Entwicklung eines 100 ha großen Bahngeländes das in diesem Kontext nicht mehr von der Bahn benötigt wird. Das Projekt ist in seinen Dimensionen gewaltig: Neben dem Hauptbahnhof mit 8 Gleisen werden in Summe längere Tunnel gebaut als der Gotthardbasistunnel hat. Die Anbindung des Flughafens wird sich von 17 min Fahrzeit auf 8 min Fahrzeit verkürzen. Gleichzeitig wird Stuttgart erheblich vom Schienenlärm entlastet. Nach einer Führung durch die multimediale Ausstellung im Turm des heutigen Hauptbahnhofgebäudes hieß es „Gummistiefel an“ und raus auf die Baustelle. Derzeit werden die Gründungsarbeiten erledigt und erste Kegel, die das Dach später tragen sollen, errichtet. Mit einem Bus fuhren wir auch zu den etwas entlegeneren Teilen der Baustelle, etwa dem Cannstatter Tunnel. Beeindruckend ist ebenfalls die Baustellenlogistik, sehr große Mengen an Material müssen bewegt und entsorgt werden. Dies erfolgt größtenteils mit der Bahn.
Direkt im Anschluss ging es raus zum Flughafen. Dort erwartete uns der Geschäftsführer und führte uns über das Vorfeld. Den Schwerpunkt nahmen dabei diesmal die Gerätschaften ein, mit denen der Betrieb erfolgt. Dazu zählen beispielsweise Enteisungsfahrzeuge, Schlepper und Gepäckförderbänder. Die Geräte sind teuer und empfindlich. In der Leitstelle konnten wir anschließend mit Leitstandsmitarbeitern sprechen. Die Parkpositionsplanung ist im Grunde wie die Liegeplatzplanung im Hafen. Am Ende konnten wir auch noch kurz die Gepäcksortieranlage in Augenschein nehmen.
Der späte Nachmittag bestand dann aus einem verkehrswissenschaftlichen Tourismusprogramm. In Stuttgart gibt es eine Standseilbahn und eine Zahnradbahn im Netz des ÖPNV. Mit beiden sind wir natürlich gefahren! Den krönenden Abschluss des Tages bildete dann die Fahrt auf den Fernsehturm, von dem man einen gigantischen Blick auf die Region Stuttgart hat.
Freitag ging es zunächst mit der Regionalbahn nach Plochingen. Hier hat die S-Bahn Stuttgart ihre Zentrale und Werkstatt. Wir erfuhren beim Besuch der Leitstelle, wie zum Beispiel Verspätungen und Störungen erkannt werden und wie dies Fahrgäste per App und Twitter informiert werden. In der Werkstatt werden nicht nur die Züge gewartet, auch externen Bahnkunden steht die Werkstatt offen.
Danach fuhren wir mir dem Bus nach Esslingen am Neckar. Esslingen ist eine von drei Städten in Deutschland, in der (noch) Oberleitungsbusse verkehren. Der Stadtverkehr Esslingen begrüßte uns und führte die Teilnehmer in das System „O-Bus“ ein. Derzeit werden Hybrid-Busse angeschafft. Dabei wird in diesem Fall Hybrid derart verstanden, dass diese Busse während sie unter der Leitung fahren, eine Batterie aufladen und so nun auch Ortsteile erreichen können, die nicht mit einer Oberleitung versehen sind.
Nach einer individuellen Mittagspause und Stadtbesichtigung in Esslingen fuhren wir zum Hafen Stuttgart. Der Binnenhafen hat eine lange Tradition. Per Barkasse konnten wir die drei Hafenbecken besichtigten. Bei der Rundfahrt wurden uns Umschlagsgeräte und Güter gezeigt und näher erläutert. Anschließend wurden wir im modernen Verwaltungsgebäude empfangen und über die aktuellen Themen des Hafens informiert. Schwerpunkt bildet dabei das Forcieren der Verlängerung der Schleusenkammern der Neckarschleusen, um jedem Rheinschiff die Fahrt auf dem Neckar zu ermöglichen. Hierdurch könnte die Transportkapazität pro Binnenschiff um 40 % gesteigert werden. Ganz billig ist die Maßnahme jedoch nicht, könnte aber im Zuge der anstehenden Ertüchtigung der Schleusen sinnvollerweise gleich mit umgesetzt werden.
Am Samstag hieß es nach den anstrengenden Tagen etwas ausschlafen, denn der Flug nach Rostock ging erst in der Mittagszeit zurück. Die Teilnehmer bedanken sich bei der DVWG Württemberg für die tolle Organisation und die unglaublichen Eindrücke.
Die Teilnahme an der Exkursion wurde von Prof. Dr. Sönke Reise geleitet, der die Studienrichtung „Verkehrsbetrieb/Logistik“ inhaltlich ausgestaltet.