Nachlese zum 28. Schiffahrtskolleg in Warnemünde

Teilnehmer des 28. Schiffahrtskolleg während eines Vortrages. Foto: Ralf Griffel

Das Schiffahrtskolleg als Gemeinschaftsveranstaltung des Bereichs Seefahrt, Anlagentechnik und Logistik (SAL) der HS Wismar und des Schiffahrtsinstituts Warnemünde tagte am 16. und17. November 2023. Die alljährliche Veranstaltung fand zum 28. Mal und in Präsenz am Technologiepark Warnemünde statt.

Mit dem Thema „Trends in der Technik der Schiffsführung und paritätische Ausbildungsangebote“ wurde der Versuch unternommen, aktuelle technische Änderungen in der Schiffsführung aufzuzeigen. In der Diskussion wurde dann der Faden hinsichtlich einer adäquaten Reflektion neuer Techniken in der Ausbildung als auch in der Weiterbildung aufgegriffen.

Drohnen als unterstützendes Instrument für den reibungslosen Verlauf der Schifffahrt und der Schiffsbewegungen im Hafenbereich und auf den Revieren war ein erster Beitrag aus dem PASSport Projekt vorgetragen von Herrn Michael Bergmann. Ergänzende Lageinformationen aus Drohnendaten über das Hafengebiet und den Zufahrten würden den Datenpool für das landseitige Bewerten von Verkehrssituationen weiter erhöhen und erweitern.

In diesem Zusammenhang gingen die Autoren des zweiten Beitrages vom Fraunhofer Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie – FKIE noch etwas weiter. Sie stellten den Aufgabenbereich landseitiger Entscheidungsempfehlungen für Verkehrslagen in den Kontext von hochautomatisierten und autonomen Schiffen. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass die Entwicklung eines KI-basierten Systems für das landseitige Überwachen und Unterstützen von Mischverkehren weitere Untersuchungen bedarf. Die Qualifizierung des jeweiligen Lagebildes des Schiffsverkehres mit den dazugehörigen Bedingungen ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Anomalien im Fahrverhalten oder eine Eskalation von Gefahren unter komplexen Gegebenheiten soll mit Hilfe der künstlichen Intelligenz unterstützt werden. Damit könnte letztlich das Entscheiden der Operateure über die Weitergabe von Empfehlungen oder Anweisungen unterstützt werden. Weiter wurde festgestellt, dass unter diesen veränderten Bedingungen neue Entwürfe für User-Interfaces gebraucht werden.

Genau zu dieser Spezifik wurde in einem Folgevortrag aus dem Projekt BEYOND des Fraunhofer Instituts FKIE berichtet. In dem Projekt entwickelten die Forscher eine Testmethode. Diese Methode implementierten sie in einem mobilen Simulator. Getestet werden Personen bei einem Unterbrechen ihres Arbeitsablaufes. Sie haben dann auf einen Fragen Antwort-Katalog zu reagieren. Prozesse der Routenüberwachung oder Kollisionsvermeidung stehen im Focus dieser Befragungen. Neben dem hiermit angestrebten Erkenntnisgewinns zur Verbesserung von maritimen Human Machine Interface (HMI), soll der Simulator künftig auch in der Ausbildung von Nautikern Anwendung finden. Der Einsatz des mobilen Simulators aus dem BEYOND Projekt könnte helfen, Veränderungen des Situationsbewusstseins Trainees (am Ship Handling Simulator) über die Studienzeit hinweg in Erfahrung zu bringen.

Diesen Beiträgen zur Verbesserung landseitiger Services für die Schifffahrt standen Ausführungen zu technischen bordseitigen Veränderungen gegenüber. Landseitige Bemühungen zu unterstützen war dabei der Aspekt. Letztlich werden schiffseitige Parameter kontinuierlich, präzise und über robuste Kanäle gebraucht, um landseitige Formen der Verkehrsunterstützung zu erweitern.

Herr Rüdiger Engel von der Firma FURUNO Deutschland berichtete in seinem Vortrag über bereits schon existierende Manöverhilfen für das Positionieren und Navigieren in engen Gewässern. Das dynamische Positionieren wurde eindrucksvoll am Beispiel verschiedener Produkte und Entwicklungen vorgetragen. Die Technik kann eingesetzt werden, um zum Beispiel landseitig operativ zugewiesene Navigationsräume exakter und leichter vom Nautiker einhalten zu können.

Für eine Referenz dieses Navigierens ist die Satellitenortung das Mittel der Wahl. Wissenschaftler des DLR Neustrelitz referierten zur „Hochgenauen satellitenbasierten Positionierung unter Nutzung von Precise Point Positioning (PPP) für hochautomatisierte Schiffsanwendungen“. Sie berichteten über ihre Erfahrungen mit sogenannter State Space Representation (SSR) als Korrekturdaten für das benutzte globale Navigationssatellitensystem (GNSS). Ihre erzielten Ergebnisse unter Anwendung des SAPOS-Referenzstationsnetz verglichen sie mit herkömmlichen Real Time Kinematic (RTK) Anwendungen. Gegenüber letzterer Methode ist der Einsatzbereich größer (100 – 1000km) und benötigt zur Übertragung eine geringere Datenrate. Mit der Koppelung beider Verfahren wurden Genauigkeiten von ca. 10 cm bei einer Konvergenzzeit von wenigen Sekunden erreicht. Im Projekt SCIPPPER wurde ganz praktisch auf der Basis des von den Forschern vorgestellten Verfahrens ein 80 m langes Binnenschiff vollautomatisch in eine Schleuse gefahren.

Bordseitig wird die Ausstattung mit RTK-Systemen gegenwärtig bereits für das Passieren des Panamakanals gefordert. Über Erfahrungen mit dieser Technik an Bord berichtete Prof. Dr.-Ing. Thomas Böcker von der HS Wismar in seinen Vortrag „Sichere Navigation mit DGNSS gestützten Geräten“.

Mit seinem abschließenden Beitrag „Autonome Schiffsführung – Voraussetzungen aus der Sicht der Praxis“ eröffnete Kapitän Dr.-Ing. Friedhold Hoppert die ausführliche Diskussion an diesem Nachmittag. Aufbauend auf erreichte automatische Lösungen für den Brückenbereich sollten weitere Teilbereiche der Automation zugeführt werden. Eine ständige Analyse der Relation Softwareentwicklung versus Prozesskenntnis ist dabei unumgänglich. In Bezug auf die vorherigen Themen wurde die notwendige Qualität von Sensordaten für seemännische Entscheidungen hervorgehoben.

Für die seemännische Praxis inklusive der an diesem Tag spezifizierten technischen Neuerungen wurden Fragen zur Aus- und Weiterbildung aufgeworfen.

Wie schlägt sich aktuell die seemännische Praxis in der Aus- und Weiterbildung nieder?

Wie werden die Methoden des Bridge Ressource Managements (BRM) vermittelt und weiterentwickelt?

Wie erfolgt in der Ausbildung die Analyse von Seeunfällen oder Zwischenfällen?

Für das Einbeziehen von „Near Miss“ Vorfällen in die Lehre bleibt die Frage, wie dafür eine Definition lauten könnte?

Wie erfolgt die Qualifikation des Landpersonals für „Remote Controlled Eingriffe“?

Welche Aufgaben oder welche Funktion hat das Brückenpersonal in Fällen eines „Remote Controlled Eingriffes“?

Die lebhafte Diskussion assoziierte auch, dass es bundesweit kein mediales Sprachrohr für Nautiker gibt, wie es beispielsweise in Großbritannien gepflegt wird. Ist es doch nicht nur ein dort stattfindender fachlicher Austausch unter Kollegen. Ausbildungsstätten, Brückenausrüster, Systemhäuser für Navigationssysteme, die Fachleute des Seerechts oder HMI-Experten hätten hier eventuell ebenfalls einen Fundus für das eigene Tun.

Am zweiten Tag der Veranstaltung wurde im Maritimen Simulationszentrum Warnemünde (MSCW) der aktuelle Entwicklungsstandes des VTS-Simulators, der Ship Handling Simulatoren und des Ship Engine Simulators demonstriert.

Prof. Dr.-Reinhard Müller-Demuth (Emeritus)


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