Über 90 % des weltweiten Warentransports erfolgt durch Schiffe, die das ökonomischste Transportmittel darstellen. So ist die installierte Leistung z.B. auf ULCV (Ultra Large Container Vessel) zwischen 5 bis 7 kW pro TEU bei einer Ladekapazität von 15.000 bis über 20.000 TEU. Die Abgasemissionen sind dabei wesentlich geringer, so z.B. bei den NOx – Emissionen nur 10 % gegenüber dem Straßentransport. Trotz allem werden durch die Vielzahl von Schiffen weltweit enorme Abgasemissionen verursacht, die unbedingt reduziert werden müssen. Ein wesentlicher Weg ist dabei die Anpassung der verwendeten Kraftstoffe bei Beibehaltung der Energiedichte von ca. 40.000 kJ/kg.
Das über die letzten Dekaden in der Seeschifffahrt als Kraftstoff dominierende Schweröl (Rückstandsöl aus dem Raffinerieprozess) ist, vor Allem aufgrund seines hohen Schwefelgehaltes, ohne Maßnahmen zur Abgasschadstoffemissionssenkung nicht mehr tragbar. Daher gilt seit Januar 2020 ein globaler Grenzwert von 0,5% – in einer zunehmenden Anzahl von Seegebieten (den Sulfur Emission Control Areas SECA‘s ) sind nur noch 0,1% Schwefelgehalt zulässig. Die Herstellung dieser Kraftstoffe ist so aufwendig, dass der Preis gegenwärtig im Bereich der Destillat- (Diesel-) Kraftstoffe liegt und der Einsatz dieser sogenannten Ultra Low Sulfur Fuels teilweise unattraktiv wird. Zusätzlich verursachen Umschaltvorgänge zwischen verschiedenen Kraftstoffen – z.B. beim Einfahren in die als SECA ausgewiesene Nord- und Ostsee, europäische Häfen und nordamerikanischen Küstengewässer Probleme durch Kraftstoffunverträglichkeiten. Die zulässige Alternative der Abgasentschwefelung an Bord kann dieses – und z.T. auch das Problem der Partikelemission – lösen, ist jedoch aufwendig und verlangt den Aufbau zusätzlicher Infrastrukturen. Nichts desto trotz etabliert sich aktuell eine zunehmende Zahl von Schiffen mit dieser Technologie – wobei deren Attraktivität immer von der aktuellen Preisdifferenz zwischen schwefelhaltigen und schwefelarmen Kraftstoffen abhängt. Weitere Aufgaben, wie die Senkung der NOx-Emissionen sind aktuell vor Allem durch den Einsatz eines SCR-Katalysators lösbar – die ebenfalls im Fokus stehende Erderwärmung durch den Treibhauseffekt wird dadurch jedoch nicht entschärft. Vor diesem Hintergrund werden aktuell diverse Energiequellen als Alternativen für Antrieb und Stromversorgung an Bord von Seeschiffen diskutiert – bzw. befinden sich in der Erprobung.
Die landseitig als Lösung thematisierte Nutzung elektrischer Antriebe ist für kurze Strecken und das Befahren besonders sensibler Bereiche praktikabel – für die weltweit großen Transportwege jedoch aufgrund der erforderlichen Energiespeicherkapazität gegenwärtig nicht darstellbar. Daher wird hier vor allem auf Hybridkonzepte und die Möglichkeiten des „Peak-Shavings“ – d.h. der Vermeidung von abgasschadstoffemissionsintensiven Lastaufschaltungen durch Kompensation mittels elektrisch gespeicherte Energie gesetzt.
Eine zunehmende Anzahl von Schiffen nutzt vergleichsweise günstiges Erdgas als Kraftstoff, womit sowohl die SOx- als auch die Partikel-Problematik deutlich abgemildert werden. Aufgrund der geringen Energiedichte im gasförmigen Zustand wird Erdgas meist bei Temperaturen unterhalb des Siedepunktes, d.h. bei < -162°C als LNG (liquified natural gas) an Bord geliefert und gelagert - und erst kurz vor der Verwendung im Motor wieder in seinen gasförmigen Aggregatzustand überführt. Neben den, aus den extrem geringen Temperaturen resultierenden Anforderungen an die Anlagen (Tanks, Aufbereitung usw.) stellt auch die weltweite Verfügbarkeit und Infrastruktur verflüssigten Erdgases eine Herausforderung für den Einsatz von LNG als Kraftstoff für weltweit operierende Schiffe dar. Reagiert wird darauf i.d.R. mit dem Einsatz sogenannter Dual-Fuel-Motoren, die auch den Betrieb mit Destillatkraftstoffen (Diesel) und sogar mit Schweröl ermöglichen. Als nicht unkritisch ist hier der sogenannte Methan-Schlupf anzusehen, wobei der Hauptbestandteil Methan (CH4) ein um ein Vielfaches größeres Treibhausgaspotenzial als z.B. CO2 aufweist. Des Weiteren lassen sich weder CO2 noch die Stickoxidemission (NOx) nennenswert reduzieren. Als Grund für den kaum nennenswerten Einsatz von LPG (Liquid Petroleum Gas) anstelle von LNG kann nur der höhere Preis angesehen werden – vereinfacht sich doch das Handling allein durch den viel höheren Siedepunkt, so dass das Gas auch bei 25°C flüssig transportiert werden kann, wenn man es auf 8 bar komprimiert.
Zu den aktuell versuchsweise eingesetzten Kraftstoffen gehören Methanol und Ethanol – wobei Methanol in erster Linie aufgrund seiner sehr geringen Schadstoffemissionen und seiner großen Verfügbarkeit interessant ist. Hinzu kommt, dass beide Substanzen auch organisch erzeugt werden – und in diesem Fall als CO2 - neutrale Kraftstoffe angesehen werden können. Erste Methanol-betriebene Schiffe gibt es bereits seit 2009, wobei die 2015/2016 umgerüstete „Stena Germanica“ als Fähre zwischen Kiel und Göteborg hierzulande am populärsten sein dürfte. Auch Ethan wird vereinzelt eingesetzt – in der Regel jedoch auf Tankern, die ohnehin LEG (liquified ethane gas) transportieren und das beim Transport entstehende Gas in ihren Motoren zum Antrieb nutzen können.
Vor allem aufgrund der Klimaerwärmung besteht natürlich auch in der Schifffahrt das Ziel darin langfristig CO2- neutrale bzw. kohlenstofffreien Kraftstoffe zu verwenden.
Betrachtet man zunächst die auf Bio-Masse und Abfall basierenden Kraftstoffe als CO2-neutrale Alternativen, so zeigt sich, dass es durch geeignete Verfahren möglich ist eine ganze Reihe von potenziellen Kraftstoffen zu generieren.Studien zur Verwendung von Biomasse als maritimer Kraftstoff der Zukunft ergaben jedoch, dass der Bedarf an Schifffahrtsbrennstoff damit nicht flächendeckend befriedigt werden kann. Somit werden diese sogenannten „Bio-Fuels“ wohl eher lokal begrenzte – und in diesem Fall durchaus gerechtfertigte – Nischen-Lösungen bleiben.
Vor dem Hintergrund des zum Teil gewaltigen Aufwandes der bezüglich der Sicherheit, der Anlagentechnik und der Motoranpassung sowie der Infrastruktur welcher für die bisher diskutierten Alternativen (Hybridisierung und gasförmige Kraftstoffe) zu treiben ist, ist es nicht verwunderlich, dass synthetische, flüssige Kraftstoffe in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Deren großer Vorteil liegt vor Allem darin, dass die Eigenschaften dieser Kraftstoffe so eingestellt werden können, dass sie z.B. denen von Diesel nach DIN EN 590 entsprechen und somit keinerlei Änderungen an bestehenden – zum Teil sehr gut optimierten - Motoren bzw. der bestehenden Infrastruktur notwendig sind.
So ist z.B. der Kraftstoff GTL (Gas to Liquid), welcher aktuell vor Allem durch Nutzung der Fischer-Tropsch-Technologie aus dem weltweit noch in großen Mengen verfügbarem Erdgas gewonnen wird, ein bereits heute relativ gut verfügbarer Kraftstoff. Mit Blick auf die CO2-Neutralität rücken jedoch zukünftig eher die regenerativen Kraftstoffe BTL (Biomass to Liquid) bzw. PTL (Power to Liquid) in den Fokus aktueller Entwicklungen (Abbildung 2). Der Vorteil für die Nutzung von Biomasse und Abfall besteht hier darin, dass daraus genormte flüssige Kraftstoffe erzeugt werden können, die ohne Anpassung flächendeckend einsetzbar sind. Allerdings gilt auch hier die bereits angesprochene begrenzte Menge an Ausgangsmaterial. Vor diesem Hintergrund wird die PTL (Power to Liquid) -Technologie interessant – vor allem dann, wenn ausreichend elektrische Energie aus regenerativen Quellen zur Verfügung steht. So könnten Überkapazitäten z.B. von offshore-Windturbinen zur Erzeugung von Wasserstoff- weiter unter Verwendung von CO2 zu Methan (CH4) reagiert und dieses dann zu GTL, also einem synthetischen Kraftstoff überführt werden, dessen Eigenschaften denen von maritim verwendetem Dieselkraftstoff entsprechen. Die dafür notwendigen Technologien stehen weitestgehend zur Verfügung, problematisch sind hier die noch relativ schlechten Wirkungsgrade für die beiden Umwandlungsprozesse und die großtechnische Infrastruktur, was die daraus generierten Kraftstoffe preislich aktuell nicht konkurrenzfähig macht.
Wenn man über kohlenstofffreie Kraftstoffe spricht drängt sich natürlich auch die Nutzung von Ammoniak (NH3) und Wasserstoff (H2) auf. Der Einsatz beider Substanzen in Verbrennungsmotoren stellt eine prinzipiell lösbare Herausforderung dar. Jedoch ist vor Allem die Entwicklung von Anlagen für den Transport und Speicherung sowie die Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur mit sehr großem Aufwand verbunden. Hier sind, speziell bei der Nutzung von Wasserstoff, noch große technologische Fortschritte (z.B. bzgl. der Bindung an Trägersubstanzen) notwendig. Vor diesem Hintergrund erscheint die bereits erwähnte Umwandlung von H2 in CH4 und die Konvertierung zu GTL als ein eher umsetzbarer Schritt.
Bisher sind mögliche Brennstoffe ausschließlich in Bezug auf deren Nutzung in Kolbenkraftmaschinen angesprochen worden. Parallel dazu laufen natürlich auch Überlegungen hinsichtlich der Verwendung von Gas-Turbinen (z.B. im kombiniertem Einsatz mit Dampfturbinen – dem GuD-Prozess – oder auch COGAS) bzw. des Einsatzes verschiedener Brennstoffzellentechnologien (Methanol- oder Wasserstoff-Brennstoffzelle) an Bord von Seeschiffen, auf deren langfristiges Potenzial hier nicht näher eingegangen werden soll, wobei die Herausforderungen an die Brennstoffzellentechnologie ähnlich dem der landseitigen Verwendung liegen dürften.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass für die Beantwortung der aktuellen Frage nach zeitgemäßen Kraftstoffen für die maritime Wirtschaft eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Es ist davon auszugehen, dass verschiedene Strategien für verschiedene Transportaufgaben adäquat sind und daher sinnvoll lokal eingesetzt werden sollten. So ist es durchaus praktikabel, dass ein LNG-Tanker das beim Transport im Tank entstehende boil-off-gas für den Betrieb seiner Antriebs- und Stromerzeugungsaggregate nutzt oder eine norwegische Fjord-Fähre rein elektrisch mit Strom aus offshore-Windanlagen betrieben werden kann. Großflächig werden von den Autoren dem Einsatz der PTX und XtL (z.B. Power to Gas – und Gas to Liqid) – Kraftstoffe großes Potenzial zugemessen.
Befürchtungen hinsichtlich einer damit sehr wahrscheinlich einhergehenden Verteuerung des Seetransportes sind gegen den zu erwartenden Effekt bezüglich der Schonung der natürlichen Reserven sowie des Klima- und Umweltschutzes abzuwägen, was langfristig dabei helfen würde die Sinnhaftigkeit einiger Transporte neu zu überdenken.
- Ellis, Joanne: „ Methanol – an alternative fuel for shipping” Methanol kick-off workshop, Maritimes Cluster Norddeutschland, Elsfleth, 2017
Prof. Dr. Ing. Karsten Wehner
Prof. Dr.-Ing. Rom Rabe
Hochschule Wismar
Bereich Seefahrt, Anlagentechnik und Logistik