Auf der Brücke zur Revierfahrt

Prof. Mario Gehrke

von Reiner Frank

Der Containerfrachter „Baltic“ steuert virtuell den Rostocker Hafen an. Auf der großen Brücke des Shiphandling-Simulators im Warnemünder Simulationszentrum führen Jenny Zeidler, Finn Härtel und Tim Gütschow die entsprechenden Manöver durch. Sie sind Studierende im achten Semester und bereiten sich auf den Einsatz in der Praxis nach Abschluss ihres Bachelor-Nautik-Studiums vor.

Gegenüber den Übungen tags zuvor klappe es inzwischen schon ganz gut, können sie berichten. Nach dem Anlegen wird auch das Ablegen des etwa 200 Meter langen Schiffs geübt, wobei das Schiff vom Liegeplatz aus dem engen Fahrwasser des Hafenbeckens rückwärts hinausmanövriert wird, erklärt einer des Trios, der schon einen Vertrag für den Einsatz als Nautiker bei Hapag Lloyd abgeschlossen hat. In einem Briefing wurden den Studenten die Aufgaben  vorgegeben,  der gewünschte Ablauf abgesteckt. Und die Instruktoren greifen ein, wenn – wie nebenan auf der kleinen Brücke – ein Student  den Anlaufwinkel zu spitz gewählt hat und er nur noch mit Hilfe des Bugstrahlruders den Kurs deutlich korrigieren kann, um einen Crash mit der Kaimauer zu verhindern.

Die Übungen am Simulator, die übrigens, wie später an Bord üblich, in englischer Sprache ausgewertet werden, seien essenziell für die Studierenden. So können sie sich in der seemännischen Praxis auch an ähnlich simulierte Situationen rückblickend erinnern und entsprechend handeln, was ein Lehrbuch nicht vermag, konstatiert Prof. Mario Gehrke (42). Er ist seit Oktober vergangenen Jahres Professor für Schiffsführung im Warnemünder Bereich Seefahrt, Anlagentechnik und Logistik der Hochschule Wismar und seit Jahresbeginn auch Leiter des Maritimen Simulationszentrums Warnemünde.

Er sieht seine Aufgabe darin, die Studenten auf eine moderne, hochautomatisierte und hochkomplexe Schifffahrt bestens vorzu- bereiten, so Sachgebiete wie Ladung, Stauung und Manövrieren anschaulich zu vermitteln.  Neben der Revierfahrt werden hier so auch aktuelle Ereignisse wie Havarien von Schiffen nachgestellt. Die Seefahrt habe ihn von Kindesbeinen an geprägt und sei seine Leidenschaft, offenbart Gehrke und berichtet, dass schon seine Vorfahren nachweislich vor allem Fischer oder Seefahrer waren. Geboren wurde er in Waren (Müritz) und wuchs hier auf. Nach dem Schulbesuch, dem Dienst bei der Marine und dem Studium in Flensburg und Bremen war er als Nautiker auf Hochseeschleppern, Tankern und Passagierschiffen sowie als Consultant und    Besichtiger weltweit von Finnland bis Neuseeland, von Chile bis Japan im Einsatz.

Schließlich zog es ihn zurück in heimatliche Gefilde, wirkte hier an den AIDA-Simulatoren in der Rostocker Hauptpost, bei Marinesoft in Warnemünde und bringt sich nun in die seemännische Ausbildung in Warnemünde ein, wo er im Maritimen Simulationszentrum (MSCW) den Staffelstab von Prof. Thomas Böcker übernahm, der in den Ruhestand  ging.  Mit den 2017 hier integrierten AIDA-Simulatoren trifft er „alte Bekannte“ wieder, wirkt nun bei der Teilerneuerung der speziellen Labore durch Rheinmetall mit. Im MSCW, wo das einzigartige Zusammenwirken in der Simulation von Schiffsführung, Maschine und Verkehrs- zentrale sowie Schiffs-Sicherheitstraining möglich ist, erfolgt nach der bereits abgeschlossenen Modernisierung des Schiffsmaschinen-Simulators ab Juni auch die Teilerneuerung des Ship-handling-Simulators. Im September zum 30. Jubiläum des Bereichs Seefahrt soll auch hier alles auf neuestem Stand sein.

Gegenwärtig findet das Studium in Warnemünde wieder zunehmend Interesse, was allein die Zahl von über 40 neu eingeschriebe- nen Studenten  für das Bachelor-Nautik-Studium in diesem Jahr belege, so Gehrke. Wobei so mancher nicht nur die Seefahrt, sondern auch eine Tätigkeit in der maritimen Wirtschaft an  Land  im  Blickfeld hat.

Neu wird in Warnemünde die Lotsenausbildung  sein, die ab  2023 erfolgen wird und gegenwärtig intensiv vorbereitet wird.

Seefahrt, so macht Gehrke deutlich, sei nicht romantisch, sondern vielfach harte Arbeit und bedarf der Kenntnis neuester Systeme und Technologien. Für ihn selbst sei Wasser sein Leben. Mit dem Boot ist der Rostocker so auch in der Freizeit gerne mit Frau und Kindern auf der Müritz unterwegs.

 

 


Zurück zu allen Meldungen